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Leben auf dem Segelboot: 7 Fragen an Katharina Charpian

Wie lebt es sich eigentlich auf einem Segelboot? Das haben wir Katharina Charpian gefragt. Die freiberufliche Journalistin und Buchautorin („Boatlife – Leben und Freiheit auf dem Wasser“) bereist mit ihrem Boot „Zest“ die Weltmeere.

von Nadine Pinezits7.7.2024
Nadine liebt die Berge, den Wald hinter ihrem Elternhaus, die Küsten Portugals und ihre Kamera, mit der sie sämtliche ihrer Abenteuer einfängt.
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Katharina, kannst du uns etwas über deinen Hintergrund erzählen? Wie bist du ursprünglich zum Segeln gekommen?

Im Jahr 2020 habe ich meinen Freund kennengelernt. Zu dieser Zeit besaß er zusammen mit zwei Freunden ein Segelboot. Nach sechs Monaten Beziehung hatten wir dann eine Idee: Nachdem er seinen Job gekündigt hatte und ich bereits remote arbeitete – damals war ich Chefredakteurin des Onlinemagazins femtastics – beschlossen wir, nach Nordnorwegen zu segeln. Von Dezember 2020 bis zum Sommer 2021 waren wir ein halbes Jahr unterwegs. Diese Reise war eine magische und herausfordernde Zeit und meine erste richtige Segelerfahrung. Wir überquerten den Polarkreis, ankerten vor Gletschern, sahen Robben und erlebten die Polarlichter. Wegen der Pandemie hatten wir Norwegen zudem fast ganz für uns allein. Nach unserer Rückkehr nahmen wir wieder unseren normalen Arbeitsalltag auf. Doch während der Reise hatten wir beide bereits den Gedanken, dass wir uns ein Leben auf einem Segelboot vorstellen könnten. Das schien jedoch zunächst nicht möglich, da das Boot meinem Freund ja nicht alleine gehörte. Als seine beiden Freunde sich kurz darauf ein neues Boot kauften, wurde „unseres“ frei. Mein Freund fand zudem einen Remote-Job, der es ihm erlaubte, von unterwegs zu arbeiten. Im Juni 2022 machten wir uns dann auf den Weg. Unser Leben auf dem Segelboot ist seitdem die perfekte Kombination aus Abenteuer, Freiheit, Remote-Arbeit und Nachhaltigkeit.

„Wind, Wetter, Strömungen, den Mond – alles nimmt man an Bord viel intensiver war als in einer Wohnung in der Stadt. Die Begegnungen mit der Tierwelt sind auch immer wieder ein Highlight.“
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Welche Vorteile und Freuden erlebst du durch das Leben auf dem Wasser?

Ich mag vor allem den Abenteuercharakter, den dieser Lebensstil mit sich bringt und das Leben im Einklang mit der Natur. Oft erleben wir den Sonnenaufgang, sei es durch das warme Licht, das in unsere Koje scheint, oder weil wir früh aufstehen, um bei günstigem Wind weiterzusegeln. Wind, Wetter, Strömungen, den Mond – alles nimmt man an Bord viel intensiver war als in einer Wohnung in der Stadt. Die Begegnungen mit der Tierwelt sind auch immer wieder ein Highlight. Ab und zu begleiten uns Delfine und spielen unter Wasser mit unserem Bug. Beruflich bereichert mich das Leben auf dem Segelboot auch enorm. Ich komme an entlegene Orte und treffe Menschen, die ich sonst nie kennengelernt hätte. Diese zufälligen Begegnungen und die Geschichten, die so noch nicht erzählt wurden, sind äußerst inspirierend.

Das Buch von Katharina: „Boatlife – Leben und Freiheit auf dem Wasser“.Foto: @endlesssunshinesailors
Blick in die Koje: Hund Helle lebt auch mit auf dem Segelboot.Foto: @endlesssunshinesailors
„Man darf außerdem nicht vergessen, dass ein Boot auch viel Arbeit bedeutet. Es gibt immer etwas zu reparieren. Gerade jetzt stehen wir vor einer größeren, unerwarteten Reparatur, die uns zwingt, eine Pause vom Bootsleben einzulegen. Flexibilität ist also unerlässlich.“
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Was sind die größten Herausforderungen, denen du dich auf dem Segelboot stellen musst?

Natürlich gibt es auch eine Kehrseite: Dadurch, dass wir so viel unterwegs sind, sehen wir unsere Freund:innen nicht so oft. Um dem entgegenzuwirken, laden wir sie immer mal gerne für zwei Wochen aufs Boot ein. Diese gemeinsame Zeit schafft unvergessliche Erinnerungen und ermöglicht es uns, intensive Quality Time miteinander zu verbringen. Man darf außerdem nicht vergessen, dass ein Boot auch viel Arbeit bedeutet. Es gibt immer etwas zu reparieren. Gerade jetzt stehen wir vor einer größeren, unerwarteten Reparatur, die uns zwingt, eine Pause vom Bootsleben einzulegen. Flexibilität ist also unerlässlich, da sich Pläne oft innerhalb von Minuten ändern. Damit muss man umgehen können.

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Kannst du uns einen typischen Tag auf dem Segelboot beschreiben?

Am liebsten liegen wir vor Anker in geschützten Buchten. Wenn wir morgens aufwachen, lassen wir als erstes unseren Hund durch die Luke nach oben raus und bereiten uns einen Kaffee zu. Dann fahren wir meist mit dem Dingi an Land, um mit Helle spazieren zu gehen, bevor wir uns – an Arbeitstagen – an unsere Laptops setzen. Oft genießen wir auch schon am Morgen direkt vom Boot aus, einen Sprung ins Wasser. In den Buchten lernen wir manchmal auch andere Segelnde kennen, die wir abends besuchen oder mit denen wir gemeinsam ein Lagerfeuer am Strand machen. Zusätzlich dazu gibt es auch die alltäglichen Aufgaben wie Wasser auffüllen, Gas tauschen, einkaufen oder Wäsche waschen. Am Ende des Tages bleibt dann meist noch etwas Zeit über für unsere Hobbys wie Surfen, Wandern, Wingfoilen oder Skateboarden.

Gehört auch dazu: Waschtag auf dem Boot.Foto: @endlesssunshinesailors
Unterwegs in Portugal: Katharina an Deck.Foto: @endlesssunshinesailors
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Was war denn bisher dein schönstes Erlebnis an Bord?

Großartige Farbspiele auf Senja – die zweitgrößte Insel Norwegens.Foto: @endlesssunshinesailors

Einmal begleiteten uns Delfine in der Nacht, und durch die Biolumineszenz leuchteten sie im Wasser – ein magisches Schauspiel. Ebenso spektakulär waren die Nordlichter, die in allen Farben über den Himmel tanzten, als wir in Norwegen vor Anker lagen. In Norwegen unternahmen wir außerdem Skitouren direkt vom Strand aus und waren dabei völlig allein. Neben diesen Highlights sind aber auch die vielen kleinen Momente von großer Bedeutung.

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Hast du Pläne oder Träume für zukünftige Reisen mit deinem Segelboot?

Katharina mit ihrem Freund beim Beach-Clean-Up.Foto: @endlesssunshinesailors

Unser nächstes großes Ziel ist es, nach Patagonien zu segeln. Derzeit liegt unser Boot an der Algarve, und unsere geplante Route führt uns über die Kapverden und Brasilien dorthin.

Mein Freund forscht beruflich zum Thema Energiewende, ich schreibe als Journalistin viel über Nachhaltigkeit und Klima. Wir überlegen aktuell, wie wir über diesen Part und Beach-Clean-Ups hinaus einen positiven Impact mit unserem Lebensstil leisten können. Eine Idee ist zum Beispiel, eng mit Forschungsprojekten zusammen zu arbeiten und essenzielle Daten an entlegenen Orten zu sammeln.

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Welche Ratschläge würdest du jemandem geben, der oder die darüber nachdenkt, ebenfalls ins Boatlife zu starten?

Ich würde auf jeden Fall empfehlen, das Segeln vorher auszuprobieren. Am besten man fährt bei jemandem aus dem Freundeskreis, der oder die ein Segelboot hat, einfach mal für eine Woche mit. Falls das nicht möglich ist, gibt es einige Plattformen, die Segelreisen anbieten. Alternativ kann man auch in speziellen Facebook-Gruppen oder bei Instagram nach privaten Crews Ausschau halten. Segelerfahrungen sind dafür nicht zwingend erforderlich. Die Crew verdient dadurch etwas Geld, und man selbst lernt das Segeln. Für diejenigen, die gar kein Budget haben, gibt es auch die Möglichkeit, per Anhalter mit Booten zu reisen.

Du möchtest das Segeln auch mal ausprobieren? ⛵️

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Für mehr Boatlife-Content folgt Katharina auf Instagram unter @katharina.charpian und @endlesssunshinesailors oder werft einen Blick in ihr Buch „Boatlife – Leben und Freiheit auf dem Wasser“ (Gestalten Verlag). Darin hat sie sich mit rund dreißig Boatlifern über ihr Leben auf dem Wasser unterhalten – von Solo-Reisenden bis hin zur segelnden Familie.

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