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Housesitting: 7 Fragen an Reisebloggerin Luise Kenner

Reisen ohne großes Budget, dafür aber mit einer guten Portion Verantwortung im Gepäck? Kein Problem für Luise Kenner. Sie passt als Housesitterin auf fremde Häuser und Tiere auf und lernt so Europa und seine Locals kennen.

von Ilka Bröskamp1.7.2024
Ausgeschlafen und bei einem frisch zubereiteten Hafermilch-Latte, schreibt Ilka leidenschaftlich gern über bewussteres Leben und Reisen.
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Liebe Luise, wie macht man es sich in einem fremden Zuhause gemütlich?

Als Allererstes muss man die Angst davor verlieren, in einem fremden Haus zu sein und sich als Eindringling zu fühlen. Am Anfang war es für mich auch ein bisschen komisch, aber mittlerweile komme ich an, lege meine Sachen weg und eine Stunde später habe ich mich eingewöhnt. Das ist vielleicht auch eine Typ-Frage – entweder du fühlst dich wohl in einem Zuhause, in dem auch andere Leute leben, oder du wünschst dir eher ein Hotel. Ich finde es toll, in ein Zuhause zu kommen, wo sich schon jemand Gedanken darüber gemacht hat, dass es gemütlich ist.

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Housesitting ermöglicht dir, günstig durch Europa zu reisen, denn du sparst die oft hohen Kosten für eine Unterkunft. Was genau bedeutet es, auf ein Haus aufzupassen?

Das ist sehr unterschiedlich und der Begriff Housesitting ist auch ein bisschen irreführend, denn in der Regel geht es vor allem um Petsitting. Housesitting, ohne Tiere zu lieben, funktioniert also nicht. Neben den Tieren musst du natürlich auch das Haus in Ordnung halten. Dazu zählen zum Beispiel Pflanzen- und Gartenpflege oder du kümmerst dich um die Post und Pakete. Es ist also ein riesiger Unterschied, ob ich auf eine Katze aufpasse oder einen riesigen Haushalt zu versorgen habe. Ich war zum Beispiel auf einer Finca in Spanien und bin dort für drei Pferde, 20 Katzen und zehn Hunde verantwortlich gewesen. Gerade, wenn man noch nicht viel Erfahrung hat, kann es überfordernd sein, alles gleichzeitig zu managen.

„Ich finde es auch sehr wichtig, das Housesitting nicht als kostenlosen Urlaub zu begreifen. Es ist vielmehr ein Austausch zwischen Menschen, die Lust haben, auf ein besonderes Reise-Erlebnis.“
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Klingt nach sehr viel Verantwortung und weniger nach Urlaub. Wie gelingt es dir, dich trotzdem zu entspannen und deine Zeit zu genießen?

Man kann bei der Wahl des Housesits natürlich beeinflussen, wie viel Arbeit man haben wird. Möchte ich zum Beispiel nach Barcelona fahren und die Stadt erkunden, nehme ich lieber ein Haus mit nur einer Katze, die man morgens und abends füttert, mit der man zwischendurch kuschelt und das wars. Aber: Ich würde Housesitting auch nicht als Urlaub bezeichnen. Ich möchte im Urlaub für gar nichts verantwortlich sein, sondern mich an den Strand legen, lesen und nicht darüber nachdenken: „Oh, muss der Hund noch raus oder die Katze zum Tierarzt?“. Da ich remote arbeite, nutze ich die Housesits eher als Workation. Ich kann an einem anderen Ort arbeiten, ohne das dadurch hohe Reisekosten entstehen. Ich finde es auch sehr wichtig, das Housesitting nicht als kostenlosen Urlaub zu begreifen. Es ist vielmehr ein Austausch zwischen Menschen, die Lust haben, auf ein besonderes Reise-Erlebnis. Natürlich kann man auf beiden Seiten sehr viel Geld sparen, aber das sollte nicht der Hauptgrund sein, warum man sich fürs Housesitting entscheidet.

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Gibt es, abgesehen von den gesparten Kosten, für dich noch weitere Vorteile vom Housesitting?

Das Konzept lässt sich ein bisschen mit Couchsurfing oder dem ursprünglichen Gedanken von AirBnB vergleichen. Man tritt in eine Community ein mit Leuten, die alle wirklich sehr involviert sind. Ich habe mittlerweile Freunde gefunden, zu denen ich immer wieder zurückkehre. Ein Housesit wird erst dann richtig gut, wenn beide Parteien ihr Bestes geben und vielleicht auch ein bisschen mehr machen, als erwartet. Manchmal komme ich an und es warten eine Flasche Wein, oder Croissants auf mich. Bevor ich abreise, kaufe ich gern frische Blumen oder stelle etwas von mir Gekochtes in den Kühlschrank. So wird der Housesit für beide Seiten zu einer sehr schönen Erfahrung.

Außerdem liegen die Häuser meist in Wohnvierteln fernab von Touristen. Du lernst ganz andere Orte kennen und bekommst viel mehr Kontakt zu den Locals. Meist wissen Freunde der Hosts, dass du gerade dort bist. Gehst du dann mit dem Hund spazieren, kommst du schnell mit den Menschen ins Gespräch und gehst vielleicht sogar abends mal gemeinsam was trinken.

Und wenn du sehr tierlieb bist, aktuell aber keine Haustiere haben kannst, oder es einfach mal ausprobieren möchtest, ist Housesitting eine tolle Möglichkeit, um deinen Alltag mit Tieren zu verbringen. Ich habe immer gedacht, ich will unbedingt einen Husky. Nach einer Woche mit Husky in Norditalien finde ich die Hunde zwar immer noch unglaublich süß, würde mir selbst aber keinen anschaffen, weil sie so viel Auslauf und Beschäftigung brauchen. Aber eine Woche nach Paris zu fahren und dort mit einem Hund durch die Stadt zu spazieren – ich kann mir kaum etwas Besseres vorstellen.

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Klingt so, als würde einem der Abschied dann am Ende auch nicht immer leichtfallen?

Oh, ja. Natürlich habe ich bei Housesits auch schon schlechte Erfahrungen gemacht, habe aber trotzdem alle irgendwie gemocht. Und dann gibt es natürlich auch die Tiere, die einem richtig ans Herz wachsen, die man am liebsten am Ende in den Koffer stopfen und mitnehmen würde. Aber wenn es gut läuft und man sich auch mit den Hosts gut verstanden hat, dann hat man ja die Möglichkeit, immer wieder zurückzukommen.

„Ich habe schon Housesits abgelehnt, einfach nur, weil ich dachte, es passt mit den Menschen nicht so gut und weil ich ein schlechtes Bauchgefühl hatte. Die Angebote sollten so ehrlich und transparent wie möglich sein.“
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Nach welchen Kriterien wählst du Unterkünfte und Housesits aus? Gibt es Angebote, von denen du lieber die Finger lässt?

Das ist ein Erfahrungswert, der mit der Zeit kommt. Ich habe am Anfang auch Housesits gemacht, die rückblickend nicht das Richtige für mich waren. Generell würde ich nie einen Housesit machen, ohne vorher Bilder vom Haus und den Tieren zu sehen und auch ein Kennenlerngespräch gehört für mich dazu. So kann man Fragen stellen und ein Gefühl für die Hosts bekommen. Ich habe schon Housesits abgelehnt, einfach nur, weil ich dachte, es passt mit den Menschen nicht so gut und weil ich ein schlechtes Bauchgefühl hatte. Die Angebote sollten so ehrlich und transparent wie möglich sein. Wenn ich das Gefühl habe, es wird etwas verheimlicht, dann lasse ich lieber die Finger davon. Gleiches gilt aber auch für starre Tagespläne wie „die Katze um 6:30 Uhr füttern, um 7:00 Uhr Fenster öffnen, damit sie rausschauen kann“ und so weiter. Ich mache auch keine Housesits, wenn ich denke, die Leute suchen eher eine Gärtnerin als eine gute Housesitting-Connection. Und Sätze wie „es soll so aussehen, als wäre die Person nie dagewesen“, schrecken mich ab. Natürlich muss es sauber sein, aber als Housesitter bin ich kein Klon der Besitzer:innen. Man muss auf beiden Seiten ein bisschen loslassen können, damit es eine gute Erfahrung für alle wird.

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Es geht bei einem Housesit also viel um Vertrauen und Erfahrungen. Ist es denn einfach, an ein Angebot zu kommen, wenn ich das noch nie vorher gemacht habe und wie stelle ich das am besten an?

Am Anfang habe ich meine Housesits in entsprechenden Facebook-Gruppen gefunden. Das war in Ordnung, mache ich heute aber nicht mehr so, weil es mir zu unsicher ist. Mittlerweile nutze ich die Plattform Trusted Housesitters. Dort zahle ich für eine Jahresmitgliedschaft, kann im Gegenzug aber auf ein weltweites Netzwerk an Housesitting-Angeboten zugreifen und bin versichert. Schließlich kann immer mal etwas kaputt gehen, oder passieren. Hier erstellt man sich ein Profil, mit dem man sich dann um die Häuser bewerben kann. Dabei kämpft man natürlich schon gegen die sehr erfahrenen Housesitter mit vielen guten Bewertungen an und als Anfängerin ein Haus in Paris zu bekommen, ist unfassbar schwer. Es ist leichter, sich erstmal um einen Housesit ganz in der Nähe zu bewerben. Beim Anschreiben sollte man unbedingt auf das jeweilige Profil, beziehungsweise die speziellen Anforderungen eingehen und eine persönliche Nachricht senden. Die Hausbesitzer:innen wünschen sich jemanden, der mit dem Hund Ball spielt? Dann schreibe ich in meine Bewerbung, dass ich das gern mache. Inzwischen habe ich eine sehr gute Annahmequote. Der Anfang ist vielleicht schwer, aber irgendwann wird einem jemand die Chance geben.

Vielen Dank für das Gespräch und viel Spaß bei deinem nächsten Housesit, liebe Luise!

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