Menschen

Der Ripple-Effekt

Für diesen Text brauchst du ein bisschen Mut. Denn er wird vielleicht etwas in dir auslösen. Das haben Ripple-Effekte nämlich so an sich. Da reicht nur ein kleiner Tropfen, damit unvorstellbare Dinge einfach passieren können.

von Jana Rauschenbach31.8.2023
Jana Rauschenbach leitet die Redaktionsbereiche bei „Im Grünen“ und 7fridays. Ihre Mission: Mensch und Natur wieder in Einklang bringen.

In diesem Jahr hatte ich einen echt schönen Sommer vor. Es sollte so ein Bilderbuch-Sommer werden. Einer an den man sich noch lange erinnert. In meiner Kindheit gab es viele davon. Ein Traumsommer jagte den nächsten. Ich bin sehr froh, dass ich mir diesen Sommer so malerisch vorgestellt hatte. Denn es kam natürlich anders.

Ich liebe es, wenn mein eigenes Mind Game komplett crasht. Und so konnte ich mal wieder etwas lernen. Über Vor-Stellungen und warum sie uns daran hindern, alles frei fließen zu lassen. Und wo wir bei Fließen sind – wow, was alles geflossen ist diesen Sommer. Endlich gab es auch mal wieder einen nassen Keller. In diesem Jahr ist mir mein heiliger Kräutergarten auch gar nicht vertrocknet. Im Gegenteil. Ich habe sogar die feuchten Kräuter wie Kapuziner- und Brunnenkresse erfolgreich in die Herbstsaison gebracht. „Darf ich vorstellen? Brunnenkresse – Herbst, Herbst – Brunnenkresse. Ihr kennt euch noch nicht.“ Alles nur dank des Sommers. Wundervoll.

Aber das Beste kommt erst noch: In diesem Jahr haben wir unseren Sommerurlaub am Meer verbracht. Fast drei Wochen an Ost- und Nordsee. Und in allen drei Wochen hat es fast pausenlos gegossen und wirklich beeindruckend gestürmt. An einigen Tagen am Meer nahm der Wind mir fast den Atem. Ist das nicht toll? Nein, das ist keineswegs sarkastisch, denn dieser Sommer hat mich mehr verstehen lassen als jeder süße Sommer davor. Es ist eben die bittere Liebe, die die wirksamste Medizin ist.

Einer der schönsten Momente unserer Ferien? Als meine Tochter und ich vom Gespensterwald entlang der Küste nach Warnemünde gewandert sind. Bei strömendem Regen. „Ich würde jetzt gern schwimmen gehen“, sagte meine Tochter plötzlich. Und kaum hatte der Satz einen Punkt, war ich auch schon drin im Meer. Man muss ja Vorbild sein. Meine Tochter hatte in ihrem Teenie-Alter schon hart damit zu kämpfen, nackt schwimmen zu gehen. Und bei Regen darf man ja auch nicht. Es könnte doch gewittern. Dann zog sie all ihre Konditionierungen, ihre Scham und ihre Angst einfach aus. Wir beide in strömendem Regen im Meer – mehr Mutter-Tochter-Romantik geht nicht.

Ich schwamm eine ganze Weile und bewunderte den Ripple-Effekt. Kettenreaktionen. Ein Tropfen löst eine Welle aus, die immer größer wird. Viele Tropfen, viele Wellen. Wenn nur ein Tropfen erstmal fällt. Faszinierend. Am Strand standen plötzlich Menschen. In Ölzeug und Gummistiefeln, fassungslos kopfschüttelnd auf unsere Sachen guckend. Dann gingen sie weiter.

Später aßen wir Mittag am Brombeerbusch, pflückten süßen Babymais direkt vom Feld. Wir liefen viele Kilometer ohne Schuhe, wir fanden schöne Steine, wir wussten nichts über Uhrzeiten und unsere Klamotten waren feucht. Sand rieb auf der Haut, die Haare rochen nach Regen und Meer. Später kurz vor Warnemünde trafen wir sie wieder – die Ölzeug-Menschen. Nur steckten sie nicht mehr drin. Sie steckten jetzt auch im Meer. Sie johlten und plantschten wie kleine Kinder. Sie winkten uns sogar zu und riefen „Gute Ideeheee!“ Schön, dass ich noch sehr viele ziemlich gute Ideen habe.

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