Menschen

Mit Geomant Hermann Hinsberger den Erdkräften auf der Spur

Hermann Hinsberger ist überzeugter Wahlföhrer, Yogalehrer, Fotograf – und Geomant. Seine Insel gestaltet er mithilfe von Wünschelrute, Pendel und viel Gespür für die Energien, die sich hier scheinbar in besonderer Weise offenbaren.

von Natascha Fouquet1.2.2024
Natascha interessiert, was Menschen bewegt. Das Unterwegssein bedeutet für sie: die Perspektive zu wechseln und niemals aufhören zu lernen.

Oft ist es nur ein unbestimmtes Bauchgefühl, wenn wir einen Ort, ein Gebäude, ein Zimmer betreten und sofort wissen: Hier fühle ich mich wohl. Oder aber es stellt sich ohne offensichtlichen Grund ein regelrechter Fluchtinstinkt ein. Einer, der dafür eine Erklärung hat, ist Hermann Hinsberger: überzeugter Wahlföhrer, Yogalehrer, Fotograf und Geomant.

„Geo-was?“, fragt mein Mann, als ich ihm von meinem Interview erzählte. Das Fragezeichen in Stimme und Gesicht kann ich ihm nicht verdenken, denn die alte Lehre ist nicht unbedingt Teil unseres Alltags-Knowhows. Um es mit den Worten des Buchautors und Geomanten Stefan Brönnle zu sagen: „Geomantie ist die Kunst, Lebensräume nach den Bedürfnissen der menschlichen Seele im Einklang mit der Kraft des Ortes zu gestalten.“ Bei ihm machte Hinsberger in den 80ern seine zweieinhalbjährige Ausbildung. Zuvor hatte er sich in einem Wochenendseminar zwar interessiert, aber noch skeptisch eine Wünschelrute gegriffen und „einen Mordsschreck bekommen als diese plötzlich heftig ausschlug.“ Seitdem hat es ihn gepackt, und er entdeckt seine Insel, auf die er als Zehnjähriger mit seinen Eltern kam, nun ganz neu – per Rute und Pendel.

„Über Föhr verläuft eine sehr starke, aus Osten kommende Energielinie, Föhrs „Herzlinie“, die auf der gesamten Insel zu spüren sei. Sie führt durch die alte Wikingerstadt Haithabu, über Ohland, dann mitten durch die Marienkirche in Drelsdorf und kommt im Hafen von Wyk auf Föhr heraus. Von hier aus konnte er sie durch die Boldixumer Kirche verfolgen und den alten Ringwall der Lembecksburg in Borgsum, in der Menschen schon im 9. Jahrhundert siedelten. Weiter führt sie durch die Süderender St. Laurentiikirche und setzt ihren Weg über die Nordsee in Richtung Nordschottlands Küste fort.

Radiästhesie nennt sich die Technik, mittels Wünschelrute oder Pendel unsichtbare Energiephänomene wahrzunehmen. Der Solarplexus ist Hermann Hinsbergers Seismograf. Meist spürt er hier parallel zum Ausschlagen der Rute, ob sich in der Nähe Wasseradern oder geologische Verwerfungen befinden.

Von Ley-Linien und Kraftpunkten

Tatsächlich kreuzen sich vor allem in alten Kultstätten, in Kirchen oder wichtigen historischen Gebäuden diese Energie- oder Ley-Linien, die die Erde wie ein Netz umspannen und besondere Kraftpunkte miteinander verbinden. Zu den Orten, an denen starke Energien schwingen, zählen auch der schwarze Monolith in Mekka, Teotihuacan, die Götterstadt der Azteken, die Pyramiden von Gizeh und die Kathedrale Notre-Dame de Paris. Vom römischen Städtebauer Marcus Vitruvius Pollio sind in seinen "Zehn Bücher über Architektur" umfassende und detaillierte Schriften über die Bedeutung der Erdenergien und deren Beachtung beim Errichten von Städten und Tempel erhalten. Geschrieben hat er es zwischen 33 und 22 v. Chr.! Baumeister vergangener Zeiten ließen folglich geomantisches Wissen in ihre Arbeit einfließen. Und auch heute noch ziehen Architekt:innen einen Fachmann bzw. eine Fachfrau zu Rate, wenn es darum geht, Wasseradern und Energieströme zu lokalisieren, um das Haus entsprechend der Wirkkraft der Energien auszurichten. Die Kräfte der Erde sind zwar unsichtbar, doch können sie uns sowohl den Schlaf rauben als auch einen Energieschub verpassen.

„Ist Geomantie also die westliche Variante von Feng Shui?“ geht es mir durch den Kopf? Offenbar liege ich damit gar nicht mal so falsch. Im Feng Shui soll die Gestaltung von Räumen, Häusern und Gärten durch Farben, Formen, Materialien und der gezielten Platzierung die Lebensenergie Chi zum Fließen bringen, lese ich. Doch wo die daoistische Harmonielehre die fünf Elemente Holz, Wasser, Feuer, Metall und Erde in der Gestaltung berücksichtigt, beruft sich die Geomantie mit Feuer, Wasser, Erde und Luft auf nur vier. Wie so etwas in der Praxis aussehen kann, will mir Hermann Hinsberger an einem Beispiel zeigen. Dafür radeln wir mitten hinein ins Wohngebiet der Inselhauptstadt Wyk. Unser Ziel: der „Park an der Mühle“, den er 2005 im Auftrag der Stadt gestaltete.

Ein magischer Ort mitten in Wyk

Dort, wo die von Mehrfamilienhäusern gesäumte Feld-, Friedrich- und Mühlenstraße ein Karree bilden, öffnet sich unvermittelt eine Lücke, die den Blick auf pralles Grün freigibt. Tritt man durch die schmiedeeiserne Pforte, dürften selbst rationalste Gemüter nicht abstreiten können, dass in diesem blühenden, blätterrauschenden, plätschernden, summenden Refugium ein ganz besonderer Spirit herrscht. Dieser Ort zählt eindeutig zu jenen, an denen man sich nur zu gerne niederlässt. Er besitzt eine magische Anziehungskraft, was die Zahl der Besucher:innen jeden Alters bestätigt, die hier täglich vorbeischauen. Nicht, weil der Reiseführer es empfiehlt, sondern weil dieser Ort in jeder und jedem etwas Besonderes zum Klingen bringt. Meist sind es Einheimische, die sich auf einen Plausch treffen, am kleinen Teich der Morgen- oder Abendstimmung lauschen oder durch das Objektiv den vielen kleinen Dingen auf der Spur sind, die sich im hohen Gras, unter den alten Bäumen oder in lauschigen Ecken verstecken. Die Wege mäandern in geschwungenen, spiralförmig angelegten Pfaden, runde Formen wiederholen sich in Buchsbäumen und Steinelementen, alles scheint organisch ineinander zu fließen, atmet Harmonie und Ruhe. Der quirlige Alltag ist vor dem Tor zurückgeblieben, die Sinnesantennen gehen auf Empfang.

„Bei der Geomantie geht es nicht nur darum, die geistige und energetische Identität eines Ortes zu erfassen, sondern diese auch in der architektonischen Landschaftsplanung zu berücksichtigen.“

“Bei der Geomantie geht es nicht nur darum, die geistige und energetische Identität eines Ortes zu erfassen, sondern diese auch in der architektonischen Landschaftsplanung zu berücksichtigen“, erklärt Hermann Hinsberger. Den „Park an der Mühle“ habe er entlang einer Sichtachse gestaltet, die quer durch das Gelände führt. Auf dieser liegen sieben Punkte, die den sieben Chakren bzw. Energiezentren des menschlichen Körpers zugeordnet sind und gleichzeitig das Leben von der Geburt bis zu seinem physischen Ende darstellen. Ein leises Plätschern leitet uns zu einem Quellstein, der sich im hohen Gras verbirgt. „Die Quelle des Lebens, die Geburt entspricht dem Basis-Chakra“, erläutert der Geomant. Die jeweiligen Farben, die den Chakren traditionell zugeordnet sind, wird von den umliegenden Pflanzen aufgenommen.

Das steinerne Gesicht eines Fauns, aus dessen Haupt Blätter wachsen entdecke ich nur wenige Schritte entfernt. Er wurde zum Synonym für das Sakral-Chakra, das sich etwa fünf Zentimeter unter dem Nabel befindet. In ihm wohnen Intimität, Kreativität, Selbstakzeptanz und auch das sexuelle Verlangen. Und so bildet das Faungesicht den obersten Punkt eines mit Wasser gefüllten Ovals, das an eine Vulva erinnert. Die imaginäre Achse läuft weiter auf die historische Mühle zu. Unter den hölzernen Flügeln ist der Schriftzug „Venti Amica“ verewigt, „Freundin des Windes“.

Wie poetisch, denke ich, und poetisch ist auch die Metaphorik unseres nächsten Stopps: Ein steinerner Brunnen, der für das Herz-Chakra steht. Ihn ziert eine Kugel – auch hier wieder die runde Formgebung. Eckige Formen, klärt Hinsberger mich auf, sprechen den Intellekt an, runde hingegen die Seele. Die vier Wasserausläufe zeigen jeder in eine Himmelsrichtung und versinnbildlichen das Adergeflecht, durch das unser Lebenssaft fließt. Für das sechste Chakra, das „dritte Auge“, hat der Geomant einen historischen Taufstein aus der Provence verwendet. Beugt man sich über ihn, erblickt man in dem ruhigen Wasserspiegel zunächst das eigene Gesicht. Taucht man mit dem Blick tiefer unter die Oberfläche, fällt er auf den Grund des Beckens und erreicht im übertragenen Sinne den Grund der eigenen Seele.

„Im Prinzip verfügt jede:r über diese Fähigkeiten. Wir haben es nur verlernt, mit den feinstofflichen Strukturen der Natur zu kommunizieren.“

Vor und während der Entstehung des Parks kamen Wünschelrute und Pendel zum Einsatz. Bei der Planung ließ er sich vor allem von seinem Gefühl leiten.

Ich lasse den Ort auf mich wirken und schaue, was er mir mitteilt“, erklärt Hermann Hinsberger. Das sei kein Hexenwerk. „Im Prinzip verfügt jede:r über diese Fähigkeiten. Wir haben es nur verlernt, mit den feinstofflichen Strukturen der Natur zu kommunizieren. Wenn wir vom Denken zurück ins ins Spüren kommen und die Verbindung zu unseren Fähigkeiten wieder herstellen, dann ist alles da. Wir brauchen es nur wachzuküssen!“

Da-musst-du-hin!

Kraft tanken: Park an der Mühle
Ein magischer Ort mitten in der Inselhauptstadt: Ein Garten für die Sinne, der von Hermann Hinsberger nach geomantischen Richtlinien gestaltet wurde. Wo? Feld-, Ecke Mühlenstraße in Wyk.

Südstrand Open-Air
Sand unter den Füßen, Meeresluft in der Nase, dazu Livemusik unterm Sommerhimmel: Beim Open Air-Festival, das vom 26.bis 29. Juli am Föhrer Südstrand stattfindet, geben sich Musikgrößen wie Bosse, Glasperlenspiel und Gregor Meyle & Band die Klinke in die Hand.

Zum Niederknien: die „Speisekammer“ in Wyk
Das Restaurant „Speisekammer“ in Wyk eröffnete erst im Frühjahr 2023 und ist schon ein echter Geheimtipp. Auf der kleinen, aber feinen Karte finden sich kulinarische Offenbarungen aus regionalen Produkten. Fürs Entertainment ist Laura Sondermann zuständig; die Inhaberin bereitet mit echter Hingabe diverse Gerichte am Tisch der Gäste zu, während ihr Mann Ole in der Küche den Zauberstab schwingt. Im Vorfeld reservieren!

Gutes aus der Hofmolkerei: Föhrer Inselkäse
Die Milch kommt von den Kühen gleich nebenan, und denen geht’s bestens auf den saftig-grünen Hofweiden. Familie Hartmann findet: „Das schmeckt man“. Ihren leckeren Käse, Joghurt, die Butter und den Quark aus eigener Herstellung bekommt man im kleinen Hofladen in Alkersum. Und wer auf die Schelle noch etwas Milch braucht: Die Milchtankstelle am Hofladen ist 24/7 geöffnet.

Eintauchen in die Inselgeschichte
Das Friesenmuseum in Wyk ist eines der ältesten Heimatmuseen Deutschlands. Mächtige Blauwalknochen bilden das Eingangstor zu dem 10.000 m² große Museumsgelände, auf dem es neben der umfangreichen kulturhistorischen Sammlung auch das älteste Föhrer Haus von 1617 zu entdecken gibt.

Die "Speisekammer" in Wyk auf Föhr.Foto: Susan Guetari | Fotoliebe Sylt
Die "Speisekammer" in Wyk auf Föhr.Foto: Susan Guetari | Fotoliebe Sylt

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