“Bei der Geomantie geht es nicht nur darum, die geistige und energetische Identität eines Ortes zu erfassen, sondern diese auch in der architektonischen Landschaftsplanung zu berücksichtigen“, erklärt Hermann Hinsberger. Den „Park an der Mühle“ habe er entlang einer Sichtachse gestaltet, die quer durch das Gelände führt. Auf dieser liegen sieben Punkte, die den sieben Chakren bzw. Energiezentren des menschlichen Körpers zugeordnet sind und gleichzeitig das Leben von der Geburt bis zu seinem physischen Ende darstellen. Ein leises Plätschern leitet uns zu einem Quellstein, der sich im hohen Gras verbirgt. „Die Quelle des Lebens, die Geburt entspricht dem Basis-Chakra“, erläutert der Geomant. Die jeweiligen Farben, die den Chakren traditionell zugeordnet sind, wird von den umliegenden Pflanzen aufgenommen.
Das steinerne Gesicht eines Fauns, aus dessen Haupt Blätter wachsen entdecke ich nur wenige Schritte entfernt. Er wurde zum Synonym für das Sakral-Chakra, das sich etwa fünf Zentimeter unter dem Nabel befindet. In ihm wohnen Intimität, Kreativität, Selbstakzeptanz und auch das sexuelle Verlangen. Und so bildet das Faungesicht den obersten Punkt eines mit Wasser gefüllten Ovals, das an eine Vulva erinnert. Die imaginäre Achse läuft weiter auf die historische Mühle zu. Unter den hölzernen Flügeln ist der Schriftzug „Venti Amica“ verewigt, „Freundin des Windes“.
Wie poetisch, denke ich, und poetisch ist auch die Metaphorik unseres nächsten Stopps: Ein steinerner Brunnen, der für das Herz-Chakra steht. Ihn ziert eine Kugel – auch hier wieder die runde Formgebung. Eckige Formen, klärt Hinsberger mich auf, sprechen den Intellekt an, runde hingegen die Seele. Die vier Wasserausläufe zeigen jeder in eine Himmelsrichtung und versinnbildlichen das Adergeflecht, durch das unser Lebenssaft fließt. Für das sechste Chakra, das „dritte Auge“, hat der Geomant einen historischen Taufstein aus der Provence verwendet. Beugt man sich über ihn, erblickt man in dem ruhigen Wasserspiegel zunächst das eigene Gesicht. Taucht man mit dem Blick tiefer unter die Oberfläche, fällt er auf den Grund des Beckens und erreicht im übertragenen Sinne den Grund der eigenen Seele.