Auswandern nach Norwegen: 7 Fragen an Tina Stenner
Vor fünf Jahren erfüllen sich Tina und ihr Mann den Traum vom Leben in Skandinavien. Ihr neues Zuhause haben sie nun zwischen Kleinstadt und Fjorden gefunden.
Vor fünf Jahren erfüllen sich Tina und ihr Mann den Traum vom Leben in Skandinavien. Ihr neues Zuhause haben sie nun zwischen Kleinstadt und Fjorden gefunden.
Wir haben bereits ganz früh entschieden, dass wir in Skandinavien leben wollen, weil wir uns dort immer viel mehr zuhause gefühlt haben. Als Kind bin ich in meinen Sommerferien quasi in Dänemark aufgewachsen. Wir haben es immer so empfunden, dass Familien und Kinder in den skandinavischen Ländern einen höheren Stellenwert haben als in Deutschland. Als wir dann selbst Eltern geworden sind, wurde unser Wunsch umzuziehen immer größer. Meine Eltern dachten, dass durch die Geburt unserer Tochter unsere Wurzeln zuhause tiefer wachsen würden, doch das ist nicht passiert. Durch eine Jobvermittlung hat mein Mann eine Stelle als KFZ-Mechatroniker in Norwegen bekommen. Ich bin Pädagogin, war zu dem Zeitpunkt aber noch in Elternzeit und so sind wir 2018 sehr spontan und mehr oder weniger zufällig von Hamburg hierhergezogen.
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Die ersten anderthalb Jahre haben wir mitten im Zentrum von Haugesund, einer Kleinstadt an der Westküste zwischen Stavanger und Bergen, gelebt. Für den Anfang war das echt super. Wir waren sehr flexibel, hatten eine Spielgruppe, die ich mit meiner Tochter besucht habe und konnten alles zu Fuß ablaufen. Ich liebe es aber draußen in der Natur zu sein und so sind wir dann raus aufs Land gezogen. Wir haben dort fast vier Jahre sehr abgeschieden gelebt. Unsere Nachbarn waren Schafe, Adler, Eulen und ansonsten war dort wirklich nicht viel los. Ich war am Anfang selbst überrascht, wie sehr ich es genossen habe. Mein Mann und ich hätten wohl auch noch länger so isoliert leben können, aber unsere Tochter ist Einzelkind und es hat sich irgendwie nicht richtig angefühlt, sie so abgeschieden aufwachsen zu lassen. Im August haben wir ein Haus gekauft und leben zwar immernoch ländlich, aber in einer kleinen Siedlung, in der unsere Tochter mit Nachbarskindern spielen, draußen Radfahren und auf dem Spielplatz spielen kann. Haugesund ist nach wie vor unser Dreh- und Angelpunkt für die Arbeit und Schule. Mein Mann arbeitet mittlerweile wieder als Ingenieur und ich als sogenannte Spezialpädagogin an einer Waldorfschule. Meine Tochter besucht die Schule, an der ich arbeite. Das macht den Alltag unglaublich leicht, weil wir gemeinsam morgens zur Schule fahren und ich sie nachmittags direkt im Hort wieder abholen kann.
Ich nenne immer gern den Wocheneinkauf als Beispiel, das den Alltag und die Mentalität hier in Norwegen sehr gut beschreibt. In Deutschland war das für mich ein richtiger Graus. Gerade an der Kasse muss alles schnell gehen, alle sind unruhig und für mich war das immer richtiger Stress. Auch hier gehe ich nicht gern einkaufen, aber alles ist sehr viel entspannter. Die Leute haben Zeit, sind freundlich miteinander oder haben ein nettes Wort auf den Lippen. Insgesamt ist der Stressfaktor – auch bei der Arbeit – hier ein ganz anderer. Es gibt natürlich wuselige, anstrengende Zeiten, aber uns fällt es hier sehr viel leichter, nach Hause zu gehen und dann auch Feierabend zu haben. An den Wochenenden sind wir viel draußen, wir wandern, machen irgendwo ein Lagerfeuer oder angeln. Die Natur und die vielen Freizeitmöglichkeiten schätze ich in Norwegen sehr. Die Möglichkeit an wunderschönen Orten allein sein zu können, ganz ohne Menschenmassen, ist herrlich. Die Touristenspots sind natürlich auch toll. Aber wenn man möchte, kann man einen ganzen Tag am Wasser, im Wald oder in den Bergen allein verbringen. Ich tanke so ganz viel Energie.
Da für uns beide lange klar war, dass wir eines Tages weiter wegziehen, war es nie so eine große Nummer, sondern einfach der nächste Schritt. Wir haben schon lange bevor es losging viel über die skandinavischen Länder gelesen, wir wussten ja bis zuletzt nicht genau, wo genau wir landen. Mein Mann hatte das große Glück, dass er einen Vollzeitsprachkurs machen konnte, mit einem Sprachniveau, das für den Arbeitsmarkt schon gut zu gebrauchen war. Zusätzlich haben wir Serien und Nachrichten auf norwegisch geguckt, um die Sprache auch viel zu hören. In Norwegen hat es mir dann sehr geholfen, dass ich mich von Anfang an herausgewagt habe, mich getraut habe, fremde Leute anzusprechen. Die Spielgruppe meiner Tochter fand dreimal die Woche statt und ich habe diese Termine sehr ernst genommen, denn ich konnte mich dort mit anderen Eltern austauschen. Es war unsere Möglichkeit, die Alltagskultur kennenzulernen, um hier wirklich anzukommen. Mir war wichtig, dass meine Tochter soziale Kontakte hat und dass auch ich mich mit der Sprache umgebe. Freizeitaktivitäten sind da eine super Gelegenheit. Dugnad, eine Art Freiwilligenarbeit, ist zum Beispiel ganz typisch in Norwegen. Man hilft sich gegenseitig, in der Nachbarschaft oder im Verein und macht daraus ein gemütliches, soziales Happening. Sich anzulächeln, nett zueinander zu sein, Smalltalk zu führen und sich füreinander zu interessieren funktioniert hier unglaublich gut.
Ich habe Heimweh, wenn wir in Deutschland sind. Das klingt irgendwie unglaublich falsch, aber tatsächlich hatte ich früher, wenn wir von Deutschland aus gereist sind, nie Heimweh. Wir sind gerne viel und mitunter auch lange unterwegs gewesen und immer, wenn es nach Hause ging, war ich unfassbar wehmütig. Und jetzt? Wenn wir zum Beispiel in Deutschland sind, freue ich mich auch wieder, wenn es nach Hause geht. Ich freue mich auf die Ruhe, diese entspannte, positive Atmosphäre. Natürlich sind wir jetzt nicht mehr bei allen Familienfeiern dabei, aber ich versuche mich immer damit zu trösten, dass die Zeit mit Freunden oder Familie, wenn wir jetzt zu Besuch sind, oder auch Besuch haben, eine ganz andere Qualität hat. Es ist nicht ein Nachmittag mit Kaffee und Kuchen, sondern es sind mehrere, viel intensivere Tage.
Ich tue mich nach wie vor schwer damit zu sagen, dass wir ausgewandert sind. Das klingt so groß irgendwie. Diesen Schritt stattdessen als Umzug zu deklarieren, finde ich sehr viel angenehmer und letztlich ist es nichts anderes als das. Wenn ich von Hamburg ins Allgäu ziehe, dann ist es auch eine große Veränderung und hat viel mit einer anderen Kultur oder sogar Sprache zu tun. Mein Tipp ist also: Das Thema Auswandern nicht aufzubauschen, sondern es als Umzug zu betrachten. Ich glaube, dann ist der Schritt viel leichter. Man sollte natürlich vorab einmal diese Diskussion mit sich selbst eingehen: Will ich das wirklich, warum und zu welchem Preis? Wenn man fühlt, dass man Lust dazu hat, sollte man es einfach ausprobieren und die nötigen Schritte einleiten. Es hilft auch, sich von diesem endgültigen Gedanken, auszuwandern und nie wieder zurückzukehren, zu lösen. Gerade innerhalb der EU ist es so leicht einen solchen Umzug einfach auszuprobieren. Deutschland ist zudem ein Land, das ein gutes soziales Netz bietet. Ich fühle mich total sicher, weil ich weiß, dass ich zur Not jederzeit zurückkehren kann.
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Auch wenn wir gerade, vor allem wegen unserer Tochter, hier fest verwurzelt sind, könnte ich mir nach der Schulzeit gut vorstellen, ein Nomadenleben zu führen. Ich habe grundsätzlich den Wunsch, noch sehr viel mehr zu reisen. Wir haben einen alten VW-Bus in der Garage, den wir mal wieder ein bisschen auffrischen müssen. Ein großer Traum ist, uns für ein oder zwei Jahre beurlauben zu lassen, Homeschooling zu machen und die Panamericana zu fahren. Das möchte ich gern in nicht allzu ferner Zukunft realisieren.
Auch für diese Reise wünsche ich dir ganz viel Erfolg! Danke für das nette Gespräch, liebe Tina.
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